8. Juni 2010

Wie man in den Wald hineinruft, so ruft es zurück

Dazu eine kleine Geschichte:

Der Tempel der tausend Spiegel

Es war einmal ein kleiner Hund, der weit herumgekommen war.

Eines Tages erreichte er eine Waldlichtung, in deren Mitte ein kleiner, wunderbar anzusehender Tempel stand. Er hatte zum Tempel-der-tausend-Spiegel gefunden. Neugierig, wie er war, kam er näher und kletterte die Stufen zum Tor des Tempels hinan. Er trat durch das offene Tor und wedelte freudig, wie es eben seine Art war. Da sah er, wie ihm tausend kleine Hunde aus tausend Spiegeln entgegenwedelten. Große Freude erfüllte ihn und er beschloss, jeden Tag zum Tempel-der-tausend-Spiegel zurückzukehren.

Tags darauf fand ein anderer Hund ebenfalls zum Tempel-der-tausend-Spiegel.

Als er misstrauisch um die Ecke lugte, zog er seinen Schwanz ein, stellte die Haare auf und fletschte knurrend die Zähne. Da zogen in tausend Spiegeln tausend Hunde den Schwanz ein, stellten ihre Haare auf, fletschten die Zähne und knurrten unfreundlich.

Wie er dies sah, beschloss er bei sich, nie wieder an diesen Ort zu kommen.

(aus: Reinhold Dietrich: Der Palast der Geschichten. Verlag Dietrich.)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen